Gedanken zur Trauer

AUF DER ANDEREN SEITE DES WEGES

Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht nicht eine andere Redeweise,
seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das, worüber wir
gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich.
Damit mein Name im Hause ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne eine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Warum soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges.  

Charles Péguy

 

AUFHEBUNG

Sein Unglück

ausatmen können
tief ausatmen
sodass man wieder
einatmen kann

Und vielleicht auch
sein Unglück sagen können
in Worten
in wirklichen Worten
die zusammenhängen
und Sinn haben
und die man selbst noch
verstehen kann
und die vielleicht sogar irgendwer sonst versteht
oder verstehen könnte
Und weinen können

Das wäre schon
fast wieder
Glück

Erich Fried

 

 

Erste Schritte

Langsam lerne ich wieder zu sehen,
wie das Licht sich in den Blättern der Bäume bricht
und spüre wieder den kühlen Wind
und die Wärme der Sonne auf meiner Haut.

Schritt um Schritt wage ich mich
wieder heraus aus meiner Seelengruft.
Ich lausche meinen Schritten
und höre auf die Stimmen der Kinder.
Ich atme den modrigen Geruch des Waldes
und die staubigsüße Schwere der Straßen.

Ich schaue in die Gesichter derer,
die mir begegnen und frage mich,
was wohl ihr Herz bewegt.
Ich fühle, wie die Schatten der Müdigkeit weichen
und den ersten Spuren neuerwachten Lebens Raum geben
in mir.
Christa Spilling-Nöker

 

Der Tod
hat dich fort getragen
dorthin,
wo kein Schmerz mehr ist.

Der Tod
hat dich erlöst
von allem Leiden
und jeder irdischen Begrenztheit.

Der Tod
hat es letztlich gut gemeint,
auch wenn das Loslassen
für uns so schwer ist.

Ingrid Schreiner aus „An der Schwelle zur Ewigkeit“

STIMMT AN DAS HALLELUJA

Und wenn ich dann einst geh,
stimmt an das Halleluja.

Lasst ab von Trauer und von Leid,
nehmt alles nicht zu schwer.

Schaut dankbar auf den,
der ich gewesen,
erinnert euch an mich -
lasst läuten alle Glocken,

ich hab gefunden meinen Stern.

Schaut nicht auf mein Versagen,
freut euch über das, was ich gewesen.

Lasst ab von euren Klagen,
ich bin euch gar nicht fern.

Bergt mich in euren Herzen
und habt mich weiter gern.

Der Grabstein und der Sarg ist mir nicht wichtig -

Vielmehr soll für euch bleiben,
mein Name, mein Gedanke,
mein Stern.

 

gefunden in: Freinthaler, Alexandra, Werkmappe "Abschiedsrituale", Pastoralamt Linz, Behelfsdienst 2006

 

NUR SCHEINBAR VERLASSEN UNS DIE TOTEN
Nur scheinbar verlassen uns die Toten,
in Wirklichkeit bleiben sie.

Wo sind sie? Im Schatten?
O nein, wir sind im Schatten, sie sind im Licht.

Sie sind uns zur Seite,
zwar wie unter einem Schleier,
aber viel gegenwärtiger als je zuvor.

Sie halten ihre Augen,
voller Glanz auf die unseren gerichtet,
die tränenerfüllt sind.

Und die Hand, die uns entzweien will,
ist die Hand, die uns hält.

Während ich sie im Gedanken
noch einmal liebevoll umfasse,
sie an mein tränennasses Gesicht drücke,
spüre ich die Kraft,
die tröstlich in ein Herz strahlt.

Diese Hand ist erfüllt von dem Frieden
einer glücklichen Verwandlung
nach einem anstrengendem Leiden.

Sie hat sich mir für immer entzogen,
und doch ist sie da.

Sie reicht herüber in meine Trauer.

Ich spüre sie, ich sehe sie.

Ich weiß, du bist mir vorausgegangen

in ein ewiges Reich aus Licht und Liebe.

 

gefunden in: Freinthaler, Alexandra, Werkmappe "Abschiedsrituale", Pastoralamt Linz, Behelfsdienst 2006